Jean - es ist nicht mehr, wie es war

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Lestat de Lioncourt

Jean - es ist nicht mehr, wie es war

Beitragvon Lestat de Lioncourt » So 24. Sep 2017, 17:18

„Ich heiße Jean“, hatte der junge Mann gesagt, als er mir geholfen hatte, meinen Koffer zu verstauen. Er hatte den Koffer nicht selbst auf das obere Bett gehoben, sondern meine Hände und Arme dabei geführt. Dann hatte er einfach meine Hände genommen, mit ihnen zärtlich an mir heruntergestrichen, um sie schließlich an meinen Beinen ruhen zu lassen. Ich war verwirrt und doch nicht zu sehr überrascht. Warum ich genau dies hatte geschehen lassen, wusste ich nicht.

An diesem Abend wollte und konnte ich nicht einschlafen. Ich war mit Jean alleine. Der Zugbegleiter hatte gesagt, dass wir unser Abteil schon abschließen könnten, es käme niemand mehr hinzu. Ich hatte nie auf meinen nächtlichen Touren irgendwelche Angst. Jean wirkte geheimnisvoll und alles andere als furchteinflößend. Sein Lächeln und seine Zuvorkommenheit war überall und jederzeit präsent. Es schenkte mir zusätzlich Sicherheit.

Jean hatte seine Augen schon geschlossen – lag da, wie ein Engel. Ich wälzte mich dauernd nur hin und her. Die Lichtblitze der Beleuchtung der Bahnhöfe, die wir durchfuhren, drang mit zunehmender Dunkelheit durch die Vorhänge und riss mich immer wieder aus Gedanken, die mich schlafen lassen sollten. „Ich kann nicht schlafen“, murmelte ich irgendwann. Sofort kniete Jean neben mir, hatte seine Hand auf meiner Stirn, wechselte damit ab, mir durch mein Haar zu streichen und mir immer wieder meine Augen zu schließen. Immer wieder öffnete ich meine Augen, nur um sein Lächeln und Strahlen zu sehen. Dann sang er mir sanft ein Schlaflied, das ich seit meiner Kinderzeit nicht mehr gehört hatte.

„Komm mit mir mit“, bat ich ihn allzu spontan. „Ich muss nochmals raus.“ Dann wurde mir bewusst, worum ich Jean gebeten hatte. Schon nahm er meine Hand, und ich folgte ihm aus dem Abteil in den kleinen Raum am Ende des Waggons. Jean hatte mir mit meiner Kleidung geholfen. Jetzt hatte ich erwartungsvoll Platz genommen, während Jean vor mir hockte. So sehr die Wasser mich vorhin noch gedrängt hatten, so sehr wollten sie jetzt nicht so recht. Ich lächelte, versuchte die Situation zu überspielen. Jean jedoch blieb die Ruhe und Zärtlichkeit in Person. Sanft hauchte er in mein Ohr: „Du bist der frische Quell in den Bergen, der leidenschaftliche Wasserfall. Du darfst strömen. Du darfst mit Dir zerfließen.“

Wie passte eine solche Poesie zu diesen Minuten, die ich immer als gewöhnlich und beinahe ordinär je empfunden hatte? Nie hatte irgendjemand so zu mir gesprochen. Jeans Hände nahmen wieder die meinen und legten sie erneut auf meine Beine. „Die Quelle entspringt in Dir selbst. Die Wasser und Du sind eins. Fühle, wie sie Dich zärtlich berühren und streicheln.“ Mit diesen Worten bewegte Jean meine Hände an mir leicht hin und her. „Sie fließen für Dich. Sie fließen aus Liebe von Dir zu Dir selbst. Sie fließen jetzt – genau jetzt.“

Ein Stich durchzog meinen Bauch. ‚Genau jetzt‘, und ein ersten Schub der Wasser eröffneten mich meiner selbst. Sie flossen, sie flossen mehr – und noch mehr. Ich floss, ich floss mehr – und noch mehr. Sie wollten nicht mehr aufhören. Ich wollte nicht mehr aufhören. Ich fühlte jede Sekunde wie eine Ewigkeit. Immer wieder zuckten die Lichter der Bahnhöfe sanft durch den Raum. Immer wieder zuckten die Blitze der Leidenschaft sanft durch meinen Körper. Dann waren die Wasser versiegt. Mit einer zärtlichen Handbewegung und etwas Papier trocknete Jean mir die Quelle.

Wieder half mir Jean mir mit meiner Kleidung. Hand in Hand verließen wir den Raum. Nur ein leichter Streif am Horizont zeugte noch von dem vergangenen Tag. Jean und ich hielten uns an beiden Händen und blickten uns ohne Worte an. Ich nahm seine Hände, legte sie auf meine Beine und bewegte sie sanft und zärtlich hin und her. Mit geschlossenen Augen dachte ich an meinen Mann und unsere beiden Kinder, die mich am Morgen abholen würden. Es war nichts mehr, wie es war. Ich fragte mich, warum ich heute meinen Slip auf meiner Strumpfhose trug.

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